Quelle: Aachener Zeitung

Liebeslast leicht genommen: TH-Talk erobert die Herzen

Aachen. Ingenieurwissenschaftler Frank ist vor lauter Verzweiflung ins Wasser gegangen. Was nicht heißen soll, dass er sich mit der Situation abgefunden hätte - im Gegenteil. «Derzeit mache ich eine Ausbildung zum Übungsleiter für Aquafitness im TH-Sportzentrum», berichtet der schlaksige Studiosus dem verblüfften Moderatoren-Duo Kerstin Allstädt und David Lulley. Denn: «Da lernt man mehr Frauen kennen als irgendwo sonst in Aachen.» Na also.

Kreativität und einen erfreulich kabarettistischen Hang zur Selbstironie kann man dem ersten Gast im beschaulichen Sofa-Ensemble der «Talk am Dom»-Bühne wirklich nicht absprechen. Und doch: «Leider waren die meisten Kontaktversuche nicht gerade von Erfolg gekrönt.»

Zumindest in dieser Hinsicht weiß sich Frank in bester Gesellschaft mit dem Gros seiner Geschlechts- und mithin Leidensgenossen. Schließlich muss man nicht die höhere Mathematik, sondern allenfalls Adam Riese bemühen, um festzustellen: Das Verhältnis von Männlein und Weiblein liegt im Westzipfel bei 60:40 - und deshalb nicht nur statistisch im Argen.

Was tun? Erst mal gründlich recherchieren: Im Rahmen des «Medienprojekts Fernsehunterhaltung», das auch von der AZ unterstützt wird, sind die Studenten des Instituts für Politische Wissenschaften auf die Pinten-Pisten geschwärmt, um den fatalen Befund durch einschlägige Interviews zu untermauern. Fazit: Der eklatante Mädchen-Mangel ist in Aachen so unübersehbar wie Hochschule und Dom.

Doch da bleibt allemal Raum für eine Erkenntnis, die Miriam und Silke auf dem Plausch-Podium so umreißen: Das Problem ist keineswegs nur quantitativer Natur. Viele Jungs sind einfach zu schüchtern und zu phantasielos, um auf heiß umfochtener Flirt-Flur zum Erfolg zu gelangen. Die Kurvendiskussionen von Legionen von «Maschbauern» und E-Technikern erschöpfen sich allzu oft im rein theoretischen - auch und gerade mit Blick auf rar gesäte feminine Reize . . .

Das saß. Der smarte Martin mag da beinahe als erotischer Exot durchgehen: «Wer ein bißchen selbstbewusst ist, lernt genügend nette Frauen kennen.» Denn Schriftsteller Hermann-Josef Schüren rennt allenthalben offene Türen ein, wenn er feststellt: «In Aachen fehlt das prickelnde Flair.»

Und dergleichen Erkenntnisse durch eine, mit Verlaub, eher platte Metapher auf den Punkt bringt: «Wenn nur ein Schnitzel auf dem Teller liegt und alle haben Hunger, dann ist die Stimmung eben nicht gut.» Apropos Schnitzel: Einen geschärften Blick über den viel zitierten Tellerrand empfiehlt der Autor in weiser Eintracht mit dem Sexualwissenschaftler Volker van den Boom.

Aachens Jungvolk, meint auch der, brät eben zu oft in den eigenen Säften: «Die jungen Leute sollten sich mal aus ihren Studenten-Ghettos begeben. In anderen Städten sind die Generationen und Schichten öfter gemeinsam in ein und derselben Kneipe zu finden - und das erleichtert vieles.»

Ein Strukturproblem, analysieren die angehenden Akademiker messerscharf, das den Herren Politikern - ausnahmsweise - höchstens teilweise zur Last zu legen ist, aber: «Die Stadt müsste die Geisteswissenschaften an der TH viel mehr fördern.»

Das wäre zumindest ein Ansatz, wie man dem Problem auch auf höherer als der obligatorischen Tanzebene begegnen könnte - meint der Soziologe Professor Winfried Böttcher (der seine Gattin übrigens noch als Erstemestler im Fach Maschinenbau eroberte . . .)

Und so mag sich die Summe neuer Einsichten zwar nicht für jeden gemehrt haben - ganz entschieden aber der Spaß an einem im Grunde frustrierenden «Tatbestand»: Witzig und schlagfertig präsentierten die Moderatoren ein altes Thema im neuen Stil, bewiesen Takt und Sicherheit bei aller Spontanität und Lockerheit. Vor und hinter den Kulissen ist die Talk-Premiere - bestens begleitet von musikalischen Live-Leckerbissen - flott und auch dramaturgisch prima organisiert über die Bühne gegangen.

Und Frank, der eloquente Entertainment-Eisbrecher, hat am Ende allemal mehr gewonnen als manche Erkenntnis: Denn auch bei der finalen Los-Aktion für einsame Herzen ließen die Herren Studenten jeden Mut zur Initiative vermissen. Zwar hatten sich reichlich bekennende Singles an der fröhlichen Kuppel-Tombola beteiligt. Als der Spaß ernst wurde - da haben sie mal wieder gekniffen. Trotz eines wahrhaft himmelstürmenden Hauptgewinns in Gestalt einer Ballonfahrt überm Talkessel. Bis eine gewisse Esther, schlank, blond, Studentin der Soziologie, das plötzliche Schweigen im dicht gefüllten Saal - und manche Herzen im begeisterten Publikum brach: «Also - dann fliege ich mit Frank!»

Matthias Hinrichs, 06.07.2000 19:51